Liebe Lohrer!

Vor sechs Jahren wurde ich bei der Kommunalwahl 2014 mit 68,1 Prozent der Stimmen zum Ersten Bürgermeister unserer Stadt gewählt.
Dieses deutliche Ergebnis bedeutete einen großen Vertrauensvorschuss. Dem wollte und will ich gerecht werden – auch in Zukunft.
Lassen Sie uns gemeinsam weiter  gehen.

Ich bin 44 Jahre alt und wohne seit acht Jahren mit meiner Familie in Lohr a. Main. Geboren und aufgewachsen bin ich in Selb/Oberfranken. Nach meinem Realschulabschluss und meiner Ausbildung zum Technischen Zeichner machte ich das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. An der Technischen Universität Chemnitz habe ich Politikwissenschaft studiert und in Leipzig meine Doktorarbeit geschrieben. Danach arbeitete ich als Sozialwissenschaftler an der Ruhr-Universität in Bochum.

Durch meine Frau Diana kam ich nach Lohr. Mir war schnell klar – hier will ich bleiben und unsere schöne Stadt mitgestalten. Es war daher für mich konsequent, das Amt des Bürgermeisters anzustreben, denn in dieser Position kann ich am meisten bewegen. Diese Arbeit macht mir sehr viel Freude.

Sie können auch weiterhin von mir erwarten, dass ich mich mit aller Kraft für Lohr einsetzen werde. Ich begegne allen Menschen mit Respekt, gehe Aufgaben mit Offenheit und Sachlichkeit an, bin auch in stürmischen Zeiten besonnen und bleibe hartnäckig, um ans Ziel zu kommen. Ich stehe für ­gründliche, verlässliche Arbeit. Und als Vater von vier Kindern bin ich nahe am Leben.

Im folgenden Gespräch mit Krystyna Kuhn gebe ich Antworten auf Fragen, die Sie und mich beschäftigen.

Aktuelles

Aufgaben
und Erfolge

Weichen sind gestellt

Sechs Jahre Bürgermeister von Lohr – wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Sehr spannend, sehr aufregend. Ich habe mich in ein unglaublich vielfältiges Arbeitsumfeld eingearbeitet: Kommunalrecht, Baurecht, Mitarbeiterführung. Wie leite ich eine Sitzung? Auf ­welche Art und Weise repräsentiere ich die Stadt? Ich­­ bin sicherlich als Mensch an diesen Aufgaben ­gereift. Es ist mir immer noch eine Freude, dieses Amt auszuführen. Für die Menschen da zu sein – das ist meine Aufgabe, meine Pflicht, mein P­rivileg.

Was war die größte Herausforderung?

Trotz extrem angespannter Haushaltslage die Stadt nach vorne zu bringen. Vor zehn Jahren hatte die Stadt noch 42 Millionen Rücklagen. Als ich 2014 das Amt des Bürgermeisters übernahm, waren diese Rücklagen aufgebraucht. Beschlüsse aus der Zeit meines Vorgängers machten weitere Ausgaben ­notwendig. Dadurch hat die Stadt fast 10 Millionen Euro Schulden. Und die ehemals ­wichtigste Einnahmequelle der Stadt, die Gewerbesteuer, ist eingebrochen. Das war ­die ­finanzielle Situation, mit der ich zurechtkommen musste.

Was waren Ihre wichtigsten Erfolge der letzten sechs Jahren?

Von großer Wichtigkeit war es zunächst, ­die unter meinem Vorgänger beschlossenen Großprojekte erfolgreich umzusetzen. Von der Grundsteinlegung bis zur Eröffnung – den Neubau der Stadthalle hatte ich als Bürgermeister zu verantworten. Das hat zu Beginn meiner Amtszeit sehr viel Zeit, Kraft und Aufmerksamkeit gekostet. Zudem haben wir viele entscheidende Weichen für eine positive und nachhaltige Entwicklung unserer Stadt gestellt. Der Bau des Zentralklinikums bedeutet einen riesigen Schub. Ich habe dazu viele Gespräche geführt und die Lohrer Ärzte, Kliniken und Nachbargemeinden ins Boot geholt. So konnten wir erfolgreich für den Standort Lohr werben. Das hat sich gelohnt.  Unsere Stadt hat sich bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiterentwickelt. Wir haben die offene Ganztagsschule eingeführt und einen besseren Betreuungsschlüssel in den Kindergärten erreicht.  Großflächiger Einzelhandel ist bei uns nicht auf der grünen Wiese, sondern mitten in der Stadt, auch dank des Brauereigeländes. Nach Jahren des Stillstands drehen sich hier die Kräne. Den dafür notwendigen Bebauungsplan hat die Stadt innerhalb von sechs Monaten durchgezogen. Darüber hinaus greifen wir unserer Innenstadt mit dem Citymanagement zusätzlich unter die Arme. Nicht ­zuletzt ist das digitale Gründerzentrum ein enormer Gewinn für unseren Wirtschaftsstandort.

Sie sind Chef einer Verwaltung, die aus mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht. Wie sind Sie an diese Aufgabe herangegangen?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource der Stadtverwaltung. Sie sollen sich wohlfühlen und gute Leistung bringen. Wichtig sind mir gegenseitiger Respekt, ein ­konstruktiver Umgang mit Kritik und dass sich jeder mit seinen Stärken eigenverantwortlich in das Team einbringt. Wir haben eine groß angelegte Mitarbeiterbefragung durchgeführt, ein ­betriebliches ­Gesundheitsmanagement etabliert und wir sorgen dafür, dass die Mitarbeiter, insbesondere Führungskräfte, sich ständig weiterent­wickeln.

Auch organisatorisch habe ich Veränderungen angestoßen: aus dem Ordnungsamt wurde z.B. das Amt für Bürgerdienste mit ­einer klaren ­Serviceorientierung. So gibt es jetzt einen festen Ansprechpartner für ­Vereine, die Veranstaltungen durchführen wollen und Genehmigungen brauchen. Das erleichtert die wertvolle Arbeit der Ehrenamtlichen.

Wie sieht es aus mit einer Digitalisierung der Verwaltung?

Auch daran arbeiten wir mit einer verwaltungsinternen Arbeitsgruppe.

Wirtschaft
und Finanzen

Wertschöpfung neu gedacht

Sie sagten eingangs, die Gewerbesteuer ist eingebrochen. Was kann man dagegen tun?

Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Lohr die Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen verringern muss. Ich gehe diese Herausforderung konsequent an: Die Stadt hat 2019 das erste Mal seit vielen Jahren wieder eine große Gewerbe­fläche mit über 18 000 Quadratmetern auf den Markt gebracht. Den ­Zuschlag erhielt ein starker, regionaler Mittelständler mit exzellenten Wachstums­perspektiven. Meine oberste Priorität gilt aktuell der Ausweisung der Gewerbeflächen im Sandfeld. Hier habe ich mich persönlich an alle relevanten Stellen, bis hin zum bayerischen Wirtschaftsminister, mit der eindringlichen Bitte gewandt, uns bei der Nutzbar­machung zu unterstützen. Ferner versuchen wir, im Gewerbegebiet „Nägelsee Nord“ eine kleinere Fläche zu erschließen. Und nicht zuletzt liegen enorme Potenziale in der Gesund­heitswirtschaft. Die müssen wir nutzen!

Nichtsdestotrotz: Unsere Flächenressourcen sind endlich!

Ja, wir müssen ehrlich sein und uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir in Lohr noch mehrere große neue Gewerbegebiete ausweisen können. Die Raumwiderstände sind enorm, z.B. auf Grund von Überschwemmungsgebieten oder Arten- und Naturschutz. Der Flächenverbrauch ist nicht zu verantworten. Ich versichere dennoch, dass wir alles tun, was machbar und sinnvoll ist. Aber Wirtschaftsförderung ist ­ja weitaus mehr als freie Gewerbeflächen auf den Markt zu bringen. Ein Stichwort lautet hier Digitalisierung. Sie verspricht zusätzliche Wertschöpfung auf vergleichsweise geringer ­Fläche.

Mögliche neue Gewerbefläche im Gewerbegebiet Nägelsee-Nord. Foto: http://geoportal.bayern.de/bayernatlas

Sie denken da auch an das Gründerzentrum – ist es wirklich ein Startschuss für die digitale Zukunft?

Ohne Übertreibung – das Starthouse Spessart ist schon jetzt ein Riesenerfolg. Viele können es sich nicht so genau vorstellen, ­daher mal konkret: 20 starke Partner aus Wirtschaft und Forschung unterstützen das Gründerzentrum. Der Freistaat Bayern gibt Fördermittel in Höhe von 1,2 Millionen Euro hinzu. Seit April wurden bereits 16 Startups mit hoch interessanten Projekten gefördert, die verständlicherweise wenig von ihren Innovationen preisgeben wollen. Die jungen Unternehmer finden in Lohr optimale Bedingungen, damit aus den Ideen gute Geschäfte werden. Das findet man sonst nirgends in unserer Region.

Mit dem Starthouse Spessart wurde aber mehr geschaffen als ein Digitales Gründerzentrum. Nicht nur Gründer nutzen es, auch Wirtschaftsunternehmen, angehende Einzelhändler oder Investoren werden durch das Starthouse auf Lohr aufmerksam. Die Stadt sowie ansässige Unternehmen profitieren von einem engeren Kontakt zur Wissenschaft und gemeinsam angestoßenen Projekten. Auch im Bereich der Fachkräftevermittlung nimmt das Starthouse eine ungeplante, aber umso effektivere Rolle ein.

„Jahrelang habe ich versucht, leider vergeblich, ein Gründer­zentrum nach Lohr zu holen, um dem wirtschaftlichen Leben in der Stadt neue Impulse zu geben. Dass es Mario gelungen ist, bedeutet einen großen Wurf für unsere Stadt.“

Siegfried Selinger, Lohrs Erster Bürgermeister von 1990 bis 2008

Verkehr
und Mobilität

Vorausschauend planen

„In den nächsten Jahren hat die Stadt Lohr auf dem Verkehrs­sektor große Herausforderungen zu meistern. Hierfür braucht es jemanden mit fundierter Sachkenntnis und gelebter Bürgernähe. Beim ­Thema Verkehrssicherheit als auch bei der regionalen und über­regionalen Verkehrsentwicklung ­­war ­Bürgermeister Dr. Paul für mich ein Gesprächspartner, der stets ein ­offenes Ohr für die Probleme der Bürger hatte und sich im Sinne einer guten Lösung auch persönlich einbrachte. Beispiele hierfür sind die Gestaltung des innerstädtischen Verkehrs als auch die Auseinandersetzung mit den anstehenden Problemen beim Bau der B 26n in unserer Region. Eine konstruktive Zusammenarbeit der örtlichen Verkehrswacht mit der Stadt­­ver­waltung war immer gegeben.“

Peter Helfrich, 1. Vorsitzender Gebietsverkehrswacht Lohr a. Main e.V.

Sie machen sich für ein neues Verkehrskonzept stark. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Unsere Infrastruktur ist bereits stark ausgelastet. In Lohr werden sich die Verkehrsströme durch den Bau des Zentralklinikums und des Brauereigeländes sehr verändern. Der Kreuzung am oberen Tor etwa kann kaum noch mehr Verkehr zugemutet werden. Ich will die Verkehrswende aktiv mitgestalten. Für all das müssen wir vorausschauend
planen.

Sie sprechen hier vom Verkehr in Lohr, aber was ist mit der überregionalen Anbindung?

Die ist für unser Mittelzentrum sehr wichtig. Durch Lohr führen zwar zwei Bundesstraßen und drei Staatsstraßen, aber dieser Verkehr ist mehr und mehr eine Belastung. Zudem müssen wir ­davon ausgehen, dass die B26n wenigstens bis Karlstadt gebaut wird. Ohne eine Lösung für Lohr werden wir im Verkehr ersticken. Ich sehe mich in der Verantwortung, dieses Schreckensszenario für unsere Stadt abzuwenden. Eine Verbindung bis zur geplanten Ortsumgehung ­Wiesenfeld mit dritter Mainbrücke ist aktuell die einzig greifbare Lösung. Daneben setze ich mich aber auch für eine Stärkung des Schienenverkehrs ein, z.B. einen Fernverkehrshalt am Lohrer Bahnhof oder die Reaktivierung der Bahnstrecke bis in ­unsere Innenstadt. Dann hätten wir eine ­umsteigefreie Direktverbindung zwischen Lohr Innenstadt und Würzburg Hauptbahnhof im Halb­stundentakt vom frühen Morgen bis spät in die Nacht.

Und was ist mit unserer Innenstadt?

Die Innenstadt muss in jedem Fall gut ­erreichbar sein, egal ob mit dem Bus, dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß! Andererseits dürfen unsere Altstadt und der Einzelhandel nicht unter dem Verkehr leiden. Ich bin mir sicher, auch dafür werden wir im neuen Konzept überzeugende Antworten finden. Es sitzen ja nicht nur Fachleute vom Verkehrsbüro und der Verwaltung an diesem neuen Konzept, sondern Bürger begleiten die Arbeit kontinuierlich. Es ist mir sehr wichtig, ihre Erfahrung und ihr Know-How in das Konzept einfließen zu lassen.

Sie sprachen schon von der Wiederbelebung der Bahnstrecke in die ­Innenstadt und ggf. weiter zum Zentral­klinikum von Lohr. Ist das wirklich eine echte Chance oder doch nur Unfug, wie manche sagen?

Ehrlich gesagt, das wissen wir noch nicht. Ich plädiere jedoch dafür, diese Möglichkeit nicht ungeprüft verstreichen zu lassen. Aktuell wird eine Fahrgastprognose erstellt, die Lohr nichts kostet. Falls diese positiv ausfällt, wäre ein Gutachten über die Kosten der Instandsetzung der Schienenstruktur notwendig. Die Ausgaben dafür würden sich voraussichtlich Landkreis, Stadt und Bahn teilen. Im Übrigen ist der Landkreis Aufgabenträger für den öffentlichen Nahverkehr, d.h. er steht ­zunächst in der Verantwortung dieses Vorhaben zu finanzieren. Aber eines ist auch klar: Auf ein Abenteuer werden wir uns nicht ­einlassen.

Auszug aus dem Verkehrsgutachten zum Straßenbauvorhaben B26n: Die Karte zeigt die prognostizierten Verkehrsmengen, wenn die B26n zwischen Arnstein und Karlstadt fertig gestellt ist und das heutige ­Straßennetz in und um Lohr a. Main unverändert bleibt. Zu erkennen ist, dass die Ortsdurchfahrt Steinbach ­mit 10.000 Fahrzeugen pro Tag belastet ist. Darunter sind 1.100 LKWs. Zum Vergleich: Nach offiziellen Zählungen im Jahr 2015 passierten 6.400 ­Fahrzeuge pro Tag die Ortsdurchfahrt Steinbach, darunter 300 LKWs. Das gesamte Verkehrsgutachten ist unter www.b26neu.de einsehbar.

Umwelt
und Klimaschutz

Wegweisend handeln

Lohr ist seit 2018 Biodiversitätsstadt – was bedeutet das konkret?

Biodiversität meint zunächst Artenvielfalt. Wir sind bayernweit eine von zehn Kommunen, die an diesem Förderprojekt teilnehmen. Dafür habe ich mich persönlich stark gemacht. Ziel ist es, die Artenvielfalt zu einem zentralen Baustein in der Stadtentwicklung zu machen und die Biodiversität nicht nur im Wald und auf der Wiese zu fördern. Von diesem Projekt kann jeder profitieren: Der Lohrer Bauhof bietet z.B. kostenfreie Beratungen an, um die Artenvielfalt im eigenen Garten zu verbessern.

Die „Friday-for-Future“– Demonstrationen mahnen uns immer wieder zu mehr Anstrengungen beim Klimaschutz. Wie halten Sie es damit?

Die Trockensommer der vergangenen Jahre führen uns deutlich vor Augen, dass sich der ­Klimawandel bereits heute stark auf unser Leben auswirkt. Es ist daher unver­antwortlich, die überfällige Klimadebatte auf Nebenkriegsschauplätze zu verlagern. Wir kommen doch in der Sache keinen Millimeter voran, wenn wir wahlweise Greta Thunberg oder SUV­-Fahrer ­verteufeln. Wir brauchen auf drängende Fragen konkrete Antworten: Wie kann der CO2-Ausstoß reduziert werden? Wie lässt sich die Trinkwasserversorgung aufrecht­erhalten? Welche Baumarten haben im Spessart Zukunft? Wie können Stadtklima und ­Grünflächen gesund gehalten werden? In den ­letzten Jahren sind wir hier in kleinen Schritten ­vorangekommen, z.B. ­indem wir auf ­städtischen Dächern Photovoltaikanlagen ­installiert ­haben oder in ein Energiemanagement der städtischen Gebäude eingestiegen sind. In ­Zukunft müssen wir unsere Anstrengungen verstärken. Hierfür soll uns ein ­Klimaschutz- und Klimaanpassungs­konzept als wichtige Grundlage dienen, das wir mit konkreten ­Maßnahmen umsetzen.

Der Lohrer Stadtwald wird seit Jahrzehnten naturnah bewirtschaftet. Dafür ist unser Wald mehrfach ausgezeichnet und zertifiziert worden, u.a. mit dem FSC- Siegel für nachhaltige Forstwirtschaft. Foto: Schwenninger

Bauen
und Wohnen

Vieles auf den Weg gebracht

Der Wohnraum in Lohr ist knapp – gibt es dazu Maßnahmen?

Wir können nur neue Bürger für Lohr gewinnen, wenn sie auch eine Wohnung finden. Ich habe die Entwicklung immer im Blick. Im Moment werden viele wichtige Wohnbauprojekte realisiert: Wohnen am Kirchplatz im Herzen der Stadt, das Brauergelände mit rund 70 Wohneinheiten, über 40 Appartements am Valentinusberg. Es gibt das RMD-Gelände in Steinbach, die Fläche hinter dem ­Aloysianum mit einer großen Pflegeeinrichtung, Einfamilienhäusern und Mietwohnungen und schließlich wird das neue Baugebiet in Sendelbach erschlossen. Für kostengünstigen Wohnraum sorgt die Baugenossenschaft, die immerhin zwölf neue Wohneinheiten plant. Wenn ich wieder gewählt werde, steht der soziale Wohnungsbau und die Entwicklung des Krankenhausareals in der Innenstadt ganz oben auf meiner Prioritätenliste.

Ein Schlagwort der Stunde ist Innenentwicklung: Wie ist Lohr hier aufgestellt?

Sehr gut! Die Stadtverwaltung hat seit Jahren ein Verzeichnis der Baulücken im Innenbereich für erschlossene, unbebaute Bauplätze. Im Stadtgebiet sind das ­insgesamt 196! Das sogenannte Flächenressourcenmanagement haben wir weiter ausgebaut. Mit Hilfe der Einwohnermeldedaten ist in allen Siedlungsbereichen erfasst, wo bereits heute in den Häusern ausschließlich Menschen wohnen, die älter als 75 Jahre sind. In manchen Wohnquartieren wird statistisch gesehen in den nächsten 10 bis 20 Jahren mehr als jedes fünfte Haus leer stehen. Obendrein haben wir auch mögliche Flächen für die Ausweisung weiterer Bauplätze im Innenbereich erfasst und bereits im Entwurf mit Bauplätzen überplant. Sobald die Stadt in den Besitz dieser Flächen kommt, können wir loslegen. So ein umfangreiches Verzeichnis haben wir nicht nur fürs Wohnen, sondern auch für die gewerbliche Nutzung erstellt.

So ein Verzeichnis mag ganz interessant sein, aber auf dem Markt sind solche Flächen häufig nicht zu finden.

Richtig, die große Herausforderung ist es, die vielen Potenziale der Innenentwicklung tatsächlich nutzbar zu machen. Hierfür erarbeiten wir verschiedene Instrumente, etwa ein Projekt, das den Arbeitstitel „Wohnungswechsel“ trägt. Dahinter steht folgende Idee: Es gibt Menschen, die von ihrem Haus in der Siedlung in die Innenstadt ziehen möchten, z.B. um Ärzten, Apotheken und Supermärkten näher zu sein oder weil die Gartenarbeit zu beschwerlich wird. Ihnen möchten wir frühzeitig das Angebot unterbreiten, die Daten ihres Hauses zu erfassen, das verkauft werden soll. Diese Informationen landen dann auf einer Immobilienbörse der Stadt, die für jedermann zugänglich ist. Bestenfalls hat das Haus in der Siedlung, noch ehe es leer steht, einen neuen Besitzer. Auf diese Weise verjüngt sich das Wohnquartier. Das ist auch für die sozialen Strukturen, z.B. das Vereinsleben, von großer Bedeutung.

Und was ist mit den ungenutzten städtischen Gebäuden?

Die historischen Häuser am Kirchplatz sind alle verkauft und werden zu Wohnzwecken saniert. Postareal und Bürgermeisterhaus sind lukrativ vermietet und erzielen Mieteinnahmen von über 100.000 Euro pro Jahr. Auch der Kindergarten in Sendelbach ist verkauft. Einzig das Fischerhaus, das aktuell als Lager des Schulmuseums dient und verschiedene Zwischennutzungen hat, steht leer. Das soll sich im nächsten Jahr ändern.

Eigene Darstellung des Bebauungs­planentwurfs der Fläche hinter dem Aloysianum (Stand November 2019). Mit freundlicher Genehmigung der MC Immobilien GmbH.

Kultur und Veranstaltungen

Lohr ist lebendig

Welche Funktion erfüllt die Kultur innerhalb einer Stadt?

Kultur ist ein wichtiger Kitt der Gesellschaft. Sie schafft Verbindlichkeit im Miteinander. Die Kultur in unserer Stadt sorgt für eine lebendige Atmosphäre. Veranstaltungen wie in der Alten Turnhalle oder der Stadthalle sind ein wichtiger Treffpunkt. Man begegnet alten Bekannten und lernt neue Menschen kennen. Miteinander ins ­Gespräch zu kommen, tut uns allen gut.

Lohr ist kulturell gut aufgestellt. Wir haben die Stadthalle und die Alte Turnhalle. Aber kann sich die Stadt das überhaupt leisten?

Der Betrieb der Stadthalle kostet uns jährlich über eine halbe Millionen Euro. Das ist sehr viel Geld. Aber: Wir haben 20 Millionen in den Neubau investiert und müssen nun diese im Landkreis einmalige Infrastruktur bestmöglich nutzen! Wir dürfen nicht vergessen, für dieses Geld bekommen wir auch sehr viel geboten: große internationale Orchester wie die Russische Nationalphilharmonie, Kabarett mit Rolf Miller, aufwändige Eigenproduktionen wie Dreamscapes oder Farben des Glücks, Literaturveranstaltungen, Musikfestivals und nicht zu vergessen ausverkaufte Konzerte der Wombacher Blasmusik und der Lohrer Stadtkapelle.

Tatsache ist auch, die Wirtschaftsunternehmen unserer Region fragen die Stadthalle stark nach. Sie ist ein echter Standortfaktor. Mehr als die Hälfte aller Veranstaltungen kommen schon heute aus dem Bereich der Wirtschaft. Wir sind dabei, dieses lukrative Geschäft weiter auszubauen. 2019 ist uns das bereits gelungen: In unserer Stadthalle fanden bislang 57 teils mehrtägige Wirtschaftsveranstaltungen statt.

Die Alte Turnhalle ist von Beginn an ein Selbstläufer und ein weiterer beliebter Treffpunkt für Kunst, Kultur und Musik in unserer Stadt. Seit Eröffnung im Mai 2016 war sie an etwa 1.000 Tagen gebucht. Die Betriebskosten sind überschaubar.

Sie setzen auf das Ehrenamt und die Vereine. Wie kann man Bürger überhaupt noch motivieren angesichts hoher Auflagen und Sicherheitsmaßnahmen?

Lassen Sie mich hierzu etwas ausholen: Alle Schülerinnen und Schüler der vierten Klassen ­besuchen im Unterricht das Rathaus, um etwas über die Stadt und die Stadtverwaltung zu erfahren. Auf dem Programm steht auch eine Fragestunde mit dem Bürgermeister. Häufig werde ich dann gefragt, wie viel ein Bürgermeister arbeitet. Meine Antwort lautet dann immer: Ich arbeite in der Woche mindestens 50 bis 60 Stunden. Doch das tun nicht wenige Menschen in unserer Stadt. Ich kenne Feuerwehrmänner und -frauen, Übungsleiterinnen, Vereinsvorsitzende oder im sozialen Bereich engagierte Menschen, die einen 40-Stunden-Job haben und danach noch ehrenamtlich tätig sind. Da kommen auch schnell nochmal pro Woche 10 bis 20 Stunden im Ehrenamt obendrauf.

Wer so viel leistet, darf zurecht erwarten, dass ihm keine unnötigen Steine in den Weg gelegt werden. Auf der anderen Seite sind Auflagen unerlässlich. Eine Veranstaltung mit mehreren hundert Besuchern braucht Regelungen zur Sicherheit und Ordnung. Es muss uns also darum gehen, die Schnittstelle zwischen engagierten Menschen und Behörden möglichst reibungslos zu gestalten. In der Stadtverwaltung haben wir viele Mitarbeiter, die den Servicegedanken gegenüber den Bürgern ­verinnerlicht haben. Veranstalter aus dem ehrenamtlichen Bereich können sich an einen einzigen Ansprechpartner im Rathaus wenden, der alle behördeninternen Genehmigungen abwickelt. Und seit Juli 2019­ ­haben wir das Citymanagement für Lohr eingeführt.

Welche Vorteile hat ein Citymanagement für die Stadt?

Unsere Innenstadt, die wir alle so sehr schätzen, lebt vom Einzelhandel und der Gastronomie. Der Online-Handel und häufig fehlende Unternehmensnachfolge sind nur zwei große Herausforderungen dieser Branchen. Es ist eine wichtige ­Zukunftsaufgabe, unsere historische Altstadt lebendig und attraktiv zu erhalten. Das Citymanagement ist hierfür ein ganz wesentlicher Baustein. Es vernetzt Eigentümer mit Unternehmern, bringt Impulse für neue Ideen und widmet sich dem Stadtmarketing. Davon profitiert auch der Tourismus, der in Lohr steigende Zahlen verzeichnet.

Foto: Küstenbrück

„Duschen in der Wombacher Grundschule, Absprachen
mit dem Bürgermeister, Absperrungen durch den Bauhof: Die Deutsche Meisterschaft 2019 im Cross Country war ein voller Erfolg. Super Service der Stadtverwaltung!“

Arno Endres (2. v. li.), Abteilungsleiter Radsport des RV Viktoria Wombach

Jung
und Alt

Gemeinsam leben

Sie sind Vater von vier Kindern – wie meistern Sie und Ihre Frau den Alltag mit Job und Familie?

Ganz ehrlich, das ist jeden Tag eine Herausforderung, die uns auch immer mal wieder an unsere Grenze kommen lässt. Wichtig ist hier starker Zusammenhalt, ein verlässliches Netzwerk und das Vertrauen in die guten Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Unsere Kinder haben bisher drei verschiedene Kindergärten und vier Schulen mit Ganztagsbetreuung in Lohr besucht und sich überall sehr wohl gefühlt. Das macht vieles leichter. Ich lebe sehr gerne mit meiner Familie in Lohr.

… und was gibt es in Lohr, wenn die Kinder größer werden?

Mir persönlich ist es extrem wichtig, dass sich junge Menschen in unserer Stadt wohlfühlen. Das Jugendzentrum ist eine Institution seit vierzig Jahren. Hier können Jugendliche Musik hören und ihnen stehen viele Freizeitangebote zur Verfügung: Kicker, Billard, Darts, Fußball usw. Es ist inzwischen der Hotspot der Region für Breakdance- und Hip-Hop-Kurse. Außerdem gibt es ­einen voll eingerichteten Proberaum für Bands.

Aber nicht jeder Jugendliche geht ins Jugendzentrum

Außerhalb des Juzes hat sich in den letzten sechs Jahren viel getan. Lange wurde über einen Stadtjugendpfleger diskutiert. Ich habe ihn eingestellt. Darüber hinaus gibt es immer mehr Veranstaltungen, die sich an die Jugend wenden: Poetry Slam, Kinder- und Jugendliteraturfestival, Skate Contest, Umsonst &Drinnen Festival, Soccer Turnier, Kanuausflüge, ­Fahrten ins Palm Beach, den Kletterwald oder den Hochseilgarten. Daran kann man ­erkennen, wie viel sich getan hat. Im Mai wird der ­Lohrer Stadtstrand eröffnet. Die Verträge für die nächsten fünf Jahre sind unterschrieben.

Schematische Darstellung der Konzeptstudie des Lohrer Stadtstrands. Die tatsächliche Umsetzung kann ­hiervon abweichen. Grafik: eigene Darstellung

Doch die Bevölkerung wird immer älter – wie geht die Stadt mit der
demographischen Entwicklung um?

Die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum wurde weiter verbessert. Dafür erhielt die Stadt eine Auszeichnung. Das Zentral­klinikum sorgt für eine weitreichende Gesundheitsversorgung. In den Seniorenklubs der Stadtteile wird wertvolle ehrenamtliche ­Arbeit geleistet. Bei uns muss auch im Alter niemand alleine zu Hause sitzen. Im Brauereigelände sind Seniorenwohnungen vorgesehen und unser Stadtbus macht Senioren ohne Auto mobil. Diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen.

Was schätzen Sie persönlich an Lohr?

In Lohr gibt es alles, was man zum Leben braucht. Die Wege sind kurz. Meine Kinder fühlen sich hier wohl und haben tolle Freizeitmöglichkeiten durch die vielen Vereine. Für mich war es ein besonderer Moment, als meine fünfjährige Tochter im vergangenen Dezember als Ballerina auf der großen Bühne in der Stadthalle stand. Und ich muss es immer wieder betonen: So etwas ist nur möglich, weil es in unserer Stadt Menschen gibt, die sich in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl stark engagieren.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für Lohr, welcher wäre das …?

Ich wünsche mir ein gutes, respektvolles Miteinander in unserer Stadt. In Lohr sollen alle Menschen ihren Platz haben: jung, alt, arm, reich, Mopper oder Schnüdel. Mich macht es noch heute sehr stolz, wie wir mehreren hundert Menschen in unserer Stadt ­Zuflucht gewährt haben. Die Kindergärten, Schulen, die VHS, der Helferkreis Asyl und viele andere helfende Hände haben die Menschen aufgenommen und Unglaubliches ­geleistet.

Das Interview führte Krystyna Kuhn.

Im Dezember 2018 überreichte Landrat Thomas Schiebel der Stadt Lohr a. Main die Auszeichnung  „Bayern barrierefrei“ für ihre Erfolge auf dem Feld der Inklusion. Die Schilder in der Lohrer Fußgängerzone sind hierfür ein sichtbares Zeichen. Foto: privat